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Impuls zum 16. Juli 2023

Zum 15. Sonntag im Jahreskreis

Von Albert Hohmann (Trier), pax christi Trier

Anruf
Herr, öffne uns die Augen,
dass wir sehen, was zu sehen ist!
Herr, öffne uns die Ohren,
dass wir hören, was zu hören ist!
Herr, öffne uns die Lippen,
dass wir sagen, was zu sagen ist!
Herr, öffne uns die Hände,
dass wir ändern, was zu ändern ist!  

Lothar Zenetti

Das Gleichnis vom Sämann
1 An jenem Tag verließ Jesus das Haus und setzte sich an das Ufer des Sees. 2 Da versammelte sich eine große Menschenmenge um ihn. Er stieg deshalb in ein Boot und setzte sich. Und alle Menschen standen am Ufer. 3 Und er sprach lange zu ihnen in Gleichnissen. Er sagte: Siehe, ein Sämann ging hinaus, um zu säen. 4 Als er säte, fiel ein Teil auf den Weg und die Vögel kamen und fraßen es. 5 Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nur wenig Erde gab, und ging sofort auf, weil das Erdreich nicht tief war; 6 als aber die Sonne hochstieg, wurde die Saat versengt und verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte. 7 Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat. 8 Ein anderer Teil aber fiel auf guten Boden und brachte Frucht, teils hundertfach, teils sechzigfach, teils dreißigfach. 9 Wer Ohren hat, der höre!

Die Anhänger Jesu, ihre Gemeinden waren in doppelter Weise unter Druck. Das römische Reich verlangte Staatstreue samt göttlicher Verehrung des Kaisers und entfaltete auch in Palästina seine Repressionen. Zudem distanzierte sich das zeitgenössische Judentum von den Jesuanern.

Beides machte es diesen schwer, die Botschaft vom Gottesreich zu hören und zu verstehen. Wer diese Botschaft hört und nicht versteht, verfehlt dessen Verheißungen. Der Verstehende darf reiche Frucht hoffen.

Diese Erfahrung machen Christen durchaus auch heute. Die kapitalistische Gesellschaft erweist sich als normierende Größe und wir müssen mit ansehen, wie unsere Erde und Menschen zugrunde gerichtet werden. Die weitgehende Zustimmung zum Krieg in der Ukraine macht Menschen zu Außenseitern, die sich auf die Gewaltlosigkeit Jesu berufen und das Töten mit immer weiteren Waffen ablehnen. Gesellschaftlicher Druck und Anpassung verhindern ein Hören, das zum Verstehen führt, was die Voraussetzung für die Fruchtbarkeit der Saat wäre.

Hören und Verstehen
10 Da traten die Jünger zu ihm und sagten: Warum redest du zu ihnen in Gleichnissen? 11 Er antwortete ihnen: Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Himmelreichs zu verstehen; ihnen aber ist es nicht gegeben. 12 Denn wer hat, dem wird gegeben und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. 13 Deshalb rede ich zu ihnen in Gleichnissen, weil sie sehen und doch nicht sehen und hören und doch nicht hören und nicht verstehen. 14 An ihnen erfüllt sich das Prophetenwort Jesajas: Hören sollt ihr, hören und doch nicht verstehen; / sehen sollt ihr, sehen und doch nicht einsehen. 15 Denn das Herz dieses Volkes ist  hart geworden. / Mit ihren Ohren hören sie schwer / und ihre Augen verschließen sie, / damit sie mit ihren Augen nicht sehen / und mit ihren Ohren nicht hören / und mit ihrem Herzen / nicht zur Einsicht kommen / und sich bekehren und ich sie heile. 16 Eure Augen aber sind selig, weil sie sehen, und eure Ohren, weil sie hören. 17 Denn, amen, ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben sich danach gesehnt zu sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und zu hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört.

Das Hören auf das Wort Gottes und es verstehen ist für Israel grundlegend, wie es im zentralen Gebet ausgesprochen wird:

Höre, Israel,
der Ewige, unser Gott, der Ewige ist einzig!
Gelobt sei der Name der Herrlichkeit seines Reiches immer und ewig.
Du sollst den Ewigen, deinen Gott lieben mit deinem ganzen Herzen
Und deiner ganzen Seele und deinem ganzen Vermögen.
Es seien diese Worte, die ich dir heute befehle in deinem Herzen
Schärfe sie deinen Kindern ein und sprich von ihnen,
wenn du in deinem Hause sitzest und wenn du auf dem Wege gehst,
wenn du dich niederlegst und wenn du aufstehst.
Binde sie zum Zeichen auf deinen Arm
Und sie seien zum Dankband auf deinem Haupte.
Schreibe sie auf die Pfosten deines Hauses und deiner Tore!

Hören auf die Tora und sie umzusetzen ist der Kern dieser Botschaft. Das gilt so auch für die Botschaft Jesu vom Himmelreich, die das jüdische Gottesbekenntnis für seine Zuhörer auslegt. Die Bergpredigt belegt diese Botschaft in besonderer Weise, beispielsweise in der Aufforderung zur Wahrhaftigkeit, im Eintreten für einen gewaltfreien Widerstand, in der Forderung der Feindesliebe oder der Absage an den Mammon.
Hören und verstehen heißt somit auch Umkehr. Nicht die Vorgaben der Weltzeit sollen ausschlaggebend sein sondern die Umsetzung der Tora, des Gotteswortes. Die Umkehr kann aber auch verfehlt werden. Die Botschaft des Himmelreiches wird nicht aufgenommen. Die Zuhörer bleiben verblendet. Diese Erfahrung musste Jesus wie auch schon Johannes der Täufer machen, der die jüdischen Repräsentanten nicht erreichte. Die Gemeinden zur Zeit des Matthäus erlebten bedrückend, dass unter den Juden andere Vorstellungen von der jüdischen Zukunft herrschten. Sie mussten sich fragen sich, warum die Juden dieser Botschaft nicht folgen. Sie finden eine Erklärung beim Propheten Jesaja, der von der Verstockung spricht. So bleiben sie in ihren Verhältnissen stecken. Umgekehrt sind die Jünger als Verständige selig zu preisen.

Psalm 25
4 Herr, zeige mir deine Wege und lehre mich deine Pfade! 
5 Leite mich in deiner Wahrheit und lehre mich,
denn du bist der Gott meines Heils;

Fruchtlosigkeit und reiche Frucht
18 Ihr also, hört, was das Gleichnis vom Sämann bedeutet. 19 Zu jedem Menschen, der das Wort vom Reich hört und es nicht versteht, kommt der Böse und nimmt weg, was diesem Menschen ins Herz gesät wurde; bei diesem ist der Samen auf den Weg gefallen. 20 Auf felsigen Boden ist der Samen bei dem gefallen, der das Wort hört und sofort freudig aufnimmt; 21 er hat aber keine Wurzeln, sondern ist unbeständig; sobald er um des Wortes willen bedrängt oder verfolgt wird, kommt er sofort zu Fall. 22 In die Dornen ist der Samen bei dem gefallen, der das Wort hört, und die Sorgen dieser Welt und der trügerische Reichtum ersticken es und es bleibt ohne Frucht. 23 Auf guten Boden ist der Samen bei dem gesät, der das Wort hört und es auch versteht; er bringt Frucht - hundertfach oder sechzigfach oder dreißigfach.

Das Hören und Verstehen der Botschaft Jesu ist keineswegs selbstverständlich. Die Versuchungen des Bösen verhindern die Fruchtbarkeit, das Verstehen. Ebenso verhindern gesellschaftlicher Druck und politische Verfolgung wie im römischen Reich eine fruchtbare Verwurzelung. Aber auch die Verlockungen von weltlichem Erfolg und das Streben nach Reichtum erweisen sich als Hindernis des Hörens und Verstehens. Die Götzen „Besitz“ und „Geld“ bekunden ihre Herrschaft und stellen sich gegen Gottes Botschaft.
Allerdings eröffnet die Aussage von der vielfältigen Frucht die Hoffnung auf die Verwirklichung des Himmelreiches.

Die Lesung des Sonntags aus Jesaja (55,10-11) unterstreicht diese Hoffnung, indem sie die Zuverlässigkeit des Wortes Gottes herausstellt.
Denn wie der Regen und der Schnee vom Himmel fällt / und nicht dorthin zurückkehrt, sondern die Erde tränkt und sie zum Keimen und Sprossen bringt, / wie er dem Sämann Samen gibt und Brot zum Essen,
so ist es auch mit dem Wort, / das meinen Mund verlässt: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, / sondern bewirkt, was ich will, / und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe.

Das Gleichnis stellt auch uns die Frage, inwieweit wir uns von den gesellschaftlichen Realitäten in die Knie zwingen lassen, ob wir es aushalten, verbal verunglimpft zu werden, wenn wir nicht der Mehrheitsmeinung zum Beispiel hinsichtlich des Krieges in der Ukraine folgen, oder ob das Zuhören uns zum Verstehen und damit zu einer Praxis führt, die die Tora beziehungsweise die Bergpredigt präsent macht. Die Agenda des Himmelreiches kann uns befähigen, den Imperativen des Marktes und den gesellschaftlichen und politischen Zwängen zu widerstehen.

Das Lied von den weisen Worten 
die weisen Worte und das laute Lob,
der Glorienschein von guten Werken,
was eitel sich auf Pfauenthrone hob,
ein Luftschloss braucht, um sich zu stärken,
alles, was groß angeschrieben,
wird von Gottes Wort vertrieben,
unsere Schwachheit segnet seine Kraft,
die Starken sind beschämt geblieben.

Sein Wort will diese Welt ganz umgekehrt:
Die wir jetzt weinen, lachen wieder,
und Wohnung hat, wer hier das Dach entbehrt,
und Durst und Hunger sind vorüber,
fruchtbar wird die Kinderlose,
Vater wird der Vaterlose,
Menschen werden anders, und es wächst
des Friedens Stadt für Hoffnungslose.

Huub Oosterhuis