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1945-1950: Josef Probst

„Vater“ der deutschen pax christi-Sektion

Jens Oboth

Es dürfte innerhalb der deutschen pax christi (pc) heute kaum noch bekannt sein, wie sich die Anfänge der aus Frankreich stammenden katholischen Friedensbewegung im besiegten Nazi-Deutschland gestaltet haben. Bislang existieren lediglich kleinere Beiträge aus der Feder unmittelbar Beteiligter, die oftmals aus einer längeren Distanz zu den Ereignissen verfasst wurden und zu Mythen geronnene Einzelepisoden wiedergeben. Aufgrund ihrer historischen Verengtheit sowie ihres missionarischen Zwecks fehlt ihnen eine kritische Distanz zu den Ereignissen. Der vorliegende Text möchte die ersten Jahre von pc im Nachkriegsdeutschland knapp skizzieren und dabei an eine Person erinnern, die damals maßgeblich die Geschicke der deutschen Sektion geprägt hat und heute ihrem kollektiven Gedächtnis weitgehend entfallen ist: Josef Probst. Einzelnen mag sein Name zwar durch die Erinnerungen P. Manfred Hörhammers geläufig sein: Probst hatte dem Münchner Kapuziner auf dessen Weg aus alliierter Kriegsgefangenschaft ein Konvolut von französischem Schriftgut mitgegeben. Es enthielt u.a. Informationen zur französischen pc-Bewegung und animierte Hörhammer und dessen Vater Franz erst zu ihrer unermüdlichen Werbetätigkeit für pc. Was aus den Erinnerungen Hörhammers allerdings nicht hervorgeht, ist, dass Josef Probst selbst federführend am organisatorischen Aufbau der Bewegung beteiligt war. 

Die Vision: charismatisch statt bürokratisch 
Die Wiege des deutschen pc-Zweiges stand im saarländischen Teil des Bistums Trier. Genauer gesagt in Fenne, einem kleinen Ortsteil der Industriestadt Völklingen. „Stolzer Vater“ war der gelernte Kaufmann Josef Probst, der seit Ende des 2. Weltkrieges in Saarbrücken als Übersetzer für die Saarländische Regierung tätig war. Seine frankophile Einstellung war bereits in seiner Jugend grundgelegt worden: Im Zuge eines mehrjährigen Paris-Aufenthalts nach dem 1. Weltkrieg war er als Jugendlicher mit der katholisch-demokratischen Jugendbewegung „Le Sillon“ („Die Furche“) des charismatischen Politikers und Intellektuellen Marc Sangnier in Berührung gekommen, die sich vor dem Hintergrund der traumatischen Kriegserfahrungen u.a. eine Neuausrichtung des deutsch-französischen Verhältnisses auf die Fahnen geschrieben hatte. Bis zu dessen Tod im Jahre 1950 sollte er ihrem Gründer in enger Freundschaft verbunden bleiben. Josef Probst erfuhr bereits im Jahr 1945 – wahrscheinlich über die katholische Zeitung „La Croix“ – von einem „Gebetskreuzzug für die Bekehrung Deutschlands“, der in Frankreich von der katholischen Laienchristin, der Gymnasiallehrerin Marie-Marthe Dortel-Claudot, initiiert und von ihr unter die Leitung des Bischofs von Montauban, Pierre Marie Théas, gestellt worden war. Trotz der deutschen NS-Verbrechen in Frankreich und der von den Deutschen als Demütigung empfundenen französischen Besatzungspolitik schien lange vor einer zwischenstaatlichen Normalisierung Versöhnung möglich. 

Der schriftliche Kontakt zu Dortel-Claudot und ihrer Bewegung war schnell geknüpft. Mit nicht weniger als neun Kindern zuhause und ohne ein eigenes Arbeitszimmer machte sich Probst nun mit Verve an die Verbreitung des pc-Gedankens und den Ausbau erster organisatorischer Strukturen. Diese sollten – so der originäre Anspruch der Bewegung – auf ein Minimum beschränkt bleiben, um nicht durch zu viel Bürokratie ihr dynamisches Moment zu untergraben. Für sein Missionsvorhaben konnte Probst auf sein umfangreiches Beziehungsnetz der Vorkriegszeit, vor allem zum „Quickborn“ sowie zu ehemaligen Mitgliedern des „Friedensbundes Deutscher Katholiken“, zurückgreifen. Dieses hatte sich nach Ende des 2. Weltkriegs z.B. in der „Deutsche Volkschaft“, einer am Geist der Jugendbewegung der Zwischenkriegszeit und der ökumenisch ausgerichteten „Una-Sancta-Bewegung“ orientierten katholischen Vereinigung, neu konstituiert. So half er in vielen saarländischen Pfarrgemeinden beim Aufbau von „pc-Basisgruppen“, die regelmäßig zu Friedensmessen und -andachten, kleinen Wallfahrten und Tagungen zum Studium der päpstlichen Friedenslehre zusammenkamen. Ferner wandte er sich persönlich an Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft, um diese für pc zu gewinnen. So schlossen sich wohl auf seine Einladung der Saarländische Ministerpräsident Johannes Hoffmann sowie der Publizist Alfons Erb, der damals noch Schriftleiter der deutsch-französischen Zeitschrift „Dokumente/Documents“ in Offenburg war, der Bewegung an. In zahllosen Rundbriefen informierte Probst, dessen Haus in Völklingen-Fenne nun als deutsch-französische Verbindungsstelle von pc fungierte, über den Aufbau des deutschen Zweiges. Darüber hinaus bemühte er sich vergeblich bei der französischen Militärregierung um die Lizenz für eine deutschsprachige pc-Zeitschrift, die sich inhaltlich an ihrem französischen Vorbild und ihrem pastoraltheologischen Leitmotiv der „Katholischen Aktion“ orientieren sollte: Von Laien begeistert getragen, von den Bischöfen straff geführt. Sie erschien schließlich in Aachen, das in der britischen Zone lag. Probst wirkte gemeinsam mit dem Ersten Nationalsekretär der deutschen pc, Egon Formanns sowie dem späteren Vizepräsidenten Wilhelm de Schmidt (beide waren in der „Deutsche Volkschaft“ aktiv) an der Vorbereitung der 1. Internationalen PC-Arbeitstagung 1948 in Kevelaer mit. Er war Mitglied des Internationalen PC-Rates in Paris, organisierte die Lourdes-Wallfahrten der Jahre 1947, 1948 und 1949 und entschied mit über die Auswahl von Kandidaten/innen für die Besetzung von Bistumsstellen. Deren Zahl war noch vor der offiziellen Gründung der deutschen Sektion auf nicht weniger als 14 angewachsen. 

Vertrauenskrise und notwendige Professionalisierung 
Alles schien gut zu laufen. Doch dem war nicht so. Dass Josef Probst nach nur fünfjähriger Tätigkeit für pc als „Mann der ersten Stunde“ seinen Hut nahm, dürfte tragischer Ausdruck jener Krisenerscheinungen sein, die sich ab 1949 innerhalb der Bewegung allgemein abzeichneten. So wurde verstärkt Klage geführt über die desaströse Finanzlage, organisatorische Pannen sowie über angeblich untätige oder unqualifizierte Bistumsstellenleiter/innen. In einzelnen Diözesen kam es zur Stagnation oder zum gänzlichen Zusammenbruch der pc-Arbeit, vereinzelt mussten Bistumsstellen „reanimiert“ werden. Zeitweise drohte durch eine Initiative der bayerischen Bistumsstellenleiterkonferenz aufgrund verschiedener Streitigkeiten gar eine Spaltung des deutschen Zweiges in einen nördlichen und einen südlichen Teil, was vom Aachener pc-Bischof Johannes Joseph van der Velden durch ein Machtwort unterbunden wurde. Vor diesem Hintergrund zeigte sich für viele Mitglieder, dass das Konzept des charismatisch-spirituell erfüllten Ehrenamtes nicht mehr ausreichte und der Aufbau einer professionelleren Organisation unumgänglich wurde. Dieser Konflikt lässt sich auch im Saarland beobachten, wo die pc-Bewegung im Rang eines eigenständigen Zweiges stand. Hier sah sich der von einer ausgeprägten Marienfrömmigkeit beseelte pc-Gründer Probst mit der rasant steigenden Verwaltungsarbeit überfordert, deren Bewältigung durch die komplizierten Umstände der ersten Nachkriegsjahre zusätzlich erschwert wurde. Organisatorische Ausfälle vor allem bei der Lourdes-Wallfahrt 1949, die zu einem großen Teil auf das Konto der französischen Organisatoren gingen, wurden von Teilen der Mitreisenden sowie des Saarländischen pcRates ihm angekreidet. Durch die entstandene Vertrauenskrise wurde für Probst, an dessen Integrität nicht zu zweifeln ist, schließlich jedwede Form der pc-Arbeit unmöglich. Als er im Rahmen einer pc-Tagung in Saarbrücken-Russhütte am 14. Mai 1950 offi ziell seine Demission bekannt gab, zählte die Bewegung allein im Saarland mehr als 2.000 Mitglieder, verteilt auf gut 100 Gemeinden. Ihr „Vater“ blieb ihr nach wie vor verbunden, trat aber nie wieder in leitender Funktion für sie in Erscheinung. Josef Probst engagierte sich fortan anderweitig in den deutsch-französischen Beziehungen. Er starb am 16. Juli 1967 im Alter von 77 Jahren.

Der Autor dankt Herrn Leodegar Probst (Völklingen) und seiner Frau Karin für die Einsichtnahme in privates Archivgut sowie Prof. Dr. Friedhelm Boll (Bonn) für die kritische Lektüre. 

Dipl.-Theol. Jens Oboth, geb. 1977, war Doktorand an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum. Er promovierte über die Anfänge der deutschen pax christi-Sektion sowie ihren Beitrag für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in Kirche und Gesellschaft der BRD (1946-1996).
 

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