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Impuls zum 7. Februar 2021

Zum 5. Sonntag im Jahreskreis

Von Gerold König (Langerwehe), Mitglied des geschäftsführenden Bundesvorstandes

Leistungsgrenze
Im heutigen Sonntagsevangelium scheint es so zu sein, als seien die Jünger an ihre Leistungsgrenze gekommen. Jesus macht all das Verkündigen, Wandern und Heilen nichts aus. Im Gegenteil:  Er sagt: Kommt lasst uns weiterziehen, damit ich auch an anderen Orten verkünden kann, denn dazu bin ich ja gekommen.

Seine Leistungsgrenze erreichen hat vielfach zur Folge, dass wir schroff werden. Wir sehen kein „pack an“ mehr, alles wird zu viel. Jetzt ist auch jedes gut gemeinte Wort zu viel, das Lärmen der spielenden Kinder, das Gedudel aus dem Radio. Am liebsten würden wir alles hinschmeißen, aufhören uns zu engagieren. Wozu auch? Andere legen sich aufs Sofa und chillen – und wir? Wozu das Ganze? Die Welt retten können wir doch sowieso nicht.

Vor fast genau einem Jahr trat zum ersten Mal der Covid-19-Virus in Deutschland auf. „Das kriegen wir schon in den Griff“ war unsere erste Reaktion. Doch dann kam alles anders: Einschränkungen, Verbote, Schließungen, Kontaktverbote, Maskenpflicht und es nahm und nimmt kein Ende.

Auch hier kommen wir an unsere Grenzen: Endlich mal wieder Menschen begegnen, reisen, in ein Restaurant gehen, jemanden in den Arm nehmen, Berührung spüren. All das geht nicht mehr. Wir können es fast nicht mehr ertragen.

Auch unsere Leistungsgrenzen sind dadurch erreicht: Homeoffice und gleichzeitig Kinderbetreuung ... tagtäglich zu Hause sein ... Immer öfter kommt der Satz: Ich habe keine Lust mehr, ich kann nicht mehr, ich will eine Perspektive.

Je mehr wir an unsere Grenzen kommen, umso enger wird unser Blick. Wir verlieren das Ganze aus dem Blick, Ziele werden unscharf, wir sind nur noch auf uns konzentriert und nehmen die Anderen kaum noch wahr.

Eugen Eckern hat 1981 einen Liedtext geschrieben
Meine engen Grenzen,
meine kurze Sicht bringe ich vor Dich.
Wandle sie in Weite – Herr erbarme Dich

Meine ganze Ohnmacht,
was mich beugt und lähmt, bringe ich vor Dich.
Wandle sie in Stärke – Herr erbarme Dich

Mein verlorenes Zutraun,
meine Ängstlichkeit, bringe ich vor Dich
Wandle sie in Wärme – Herr erbarme Dich

Mein tiefe Sehnsucht
Nach Geborgenheit, bringe ich vor Dich.
Wandle sie in Heimat – Herr erbarme Dich

Weite, Stärke, Wärme und Heimat sind die Gegenpole zu unseren Grenzen. Worte die vielleicht groß sind, die der Lyrik dieses Gedichtes geschuldet sind. 

Nehmen wir uns aber einen Augenblick Zeit und denken einmal darüber nach, welches mein Gegenpol ist, wenn ich an meine Grenzen komme. 

Was ist mein „geheimer Ort“, an den ich mich in solchen Situationen sehne? 
Ist es die unendliche Weite, die keine Grenzen kennt? Die mich frei macht und durchatmen lässt?

Ist es die Stärke, die ich mir wünsche? 
Die Stärke, die mir Kraft und Ausdauer gibt, Elan und Mut auch einmal Nein sagen zu können?

Ist es die Wärme nach der ich mich sehne? 
Menschen, die sie ausstrahlen, die Kraft der Begegnung, das Einatmen der Wärme des Anderen?

Ist es die Heimat, zu der ich mich sehne? 
Der Ort, an dem ich sein kann, wie und wer ich bin? An dem ich leben kann – einfach nur leben?
Oder gibt es andere Orte, die ich brauche, um meine Grenzen zu überwinden, um wieder frei zu sein, durchatmen zu können?

Aus dem Evangelium nach Markus
In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten. Simon und seine Begleiter eilten ihm nach. Und als sie ihn fanden, sagten sie zu ihm: Alle suchen dich. (will sagen: alle wollen etwas von Dir – wir wissen nicht mehr weiter – Komm endlich!)

Er antwortete: Lasst uns weitergehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort verkünden und heilen kann, denn dazu bin ich ja gekommen.

Jesus bringt nichts aus der Ruhe. Wie wohltuend muss diese Erfahrung für Simon und Andreas gewesen sein, die alles aufgegeben hatten, um ihm zu folgen und sich die Frage stellen: War das alles richtig – wir sind erschöpft – wir wissen nicht mehr weiter – wo ist die Perspektive?

Lassen wir unsere Gedanken schweifen von uns selbst zu den Anderen, schenken wir Ihnen unsere Gedanken, unsere Weite, unsere Stärke, unsere Wärme und unsere Heimat

  • denen, die verzweifelt sind und nicht mehr weiterwissen
  • denen, die politisch weitreichende Entscheidungen treffen müssen
  • denen, die erkrankt sind und dem Tod so nahe
  • denen, die Krieg, Gewalt und Hass erleben müssen
  • denen, die als einzigen Ausweg die Flucht sehen und alles aufgeben um den Frieden zu finden
  • denen, die ihre eigenen Grenzen meinen nicht mehr überwinden zu können
  • denen, denen wir jetzt so gerne Nahe sein würden 
  • denen, die uns im Tod vorausgegangen sind und so die letzte Grenze überwunden haben

Lass sie unsere Gedanken spüren, immer dann, wenn die eigenen Gedanken davonzueilen drohen und sich Grenzen auftun.

Einen Gedanken verfolgen – wie bezeichnen ist dieses Wort!
Wir eilen ihm nach, erhaschen ihn, er entwindet sich uns,
und die Jagd beginnt von neuem.

Der Sieg bleibt zuletzt dem Stärkeren. Ist es der Gedanke,
dann lässt er uns nicht ruhen, immer wieder taucht er auf –
neckend, quälend – unserer Ohnmacht, ihn zu fassen, spottend

Gelingt es aber der Kraft des Geistes, ihn zu bewältigen,
dann folgt dem heissen Ringkampf ein beseligendes, unwiderstehliches Bündnis auf Leben und Tod, und die Kinder, die ihm entspringen, erobern die Welt 

Marie von Ebner- Eschenbach 1830 – 1916

Segen
Gott gebe uns die Kraft, unsere Grenzen zu erkennen und zu überwinden. 
Er gebe uns aber auch den Mut und die Gelassenheit, rückwärts zu gehen oder Umwege zu machen, um Dinge anders sehen zu können. 
Er mache uns stark durch seinen Segen:
Gott geht mit uns – im Namen des Vaters
Er streckt seine schützende Hand über uns aus – im  Namen des Sohnes
Er schenkt uns den Gedanken des Friedens – im Namen des heiligen Geistes

So nehmen wir diesen Tag an, so wie er ist
So nehmen wir uns an, so wie wir sind
So wohltuend Simon und Andreas die Ruhe und Ausgeglichenheit Jesu erlebt haben, der seinen Ort im Gebet gefunden hat,
so ruhig gehen wir in diesen Tag und die kommende Woche.

 

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