Freiburg: Zerrieben zwischen zwei Diktaturen
16. Nov 2016
Julijana Zarchis Vater, ein litauischer Jude, studiert in Deutschland und der Schweiz Philosophie, Geschichte und Politikwissenschaft. Die Arbeit führt ihn nach Düsseldorf, wo er seine zukünftige Ehefrau, eine Deutsche, kennen lernt. Weil in Deutschland 1934 die Heirat einer Deutschen mit einem Juden schon verboten war, wird das Paar in der Synagoge von Kaunas/Litauen getraut. Dann kehren sie nach Deutschland zurück. 1937 werden sie nach Litauen ausgewiesen. Dort kommt 1938 Julijana zur Welt.
1940 wird Litauen durch die Sowjetunion besetzt. 1941 beginnen die ersten Massendeportationen litauischer Juden durch Stalin nach Sibirien, von denen Familie Zarchi verschont bleibt. Nach dem Überfall Nazideutschlands auf die Sowjetunion im Juni 1941 wird auch Litauen besetzt, und es werden Ghettos für die jüdische Bevölkerung errichtet. Auch die dreijährige Julijana muss ins Ghetto Kaunas. Es gelingt jedoch, das Kind zu befreien. Zusammen mit ihrer Mutter überlebte Julijana im Versteck. Ihr Vater wird ermordet.
Nach der Befreiung Litauens durch die Sowjetarmee werden alle Deutschen und jene, die mit ihnen eng verwandt sind, in Arbeitslager deportiert. Julijana und ihre Mutter kommen im Mai 1945 nach Tadschikistan, wo sie auf Baumwollplantagen zum „Aufbau des Kommunismus“ eingesetzt werden. Die Arbeit auf den Baumwollfeldern ist äußerst hart. Viele sterben bereits in den ersten Monaten an Hitze und Krankheiten wie Malaria, Fieber und Ruhr. Julijana und ihre Mutter haben Glück und überleben. Nach dem Tod Stalins 1953 verbessert sich die Situation für die Deportierten, aber erst 1961 können Julijana und 1963 ihre Mutter nach Litauen zurückkehren.
Julijana Zarchi (78) lebt heute in Kaunas. Ihr Schicksal ist ein Beispiel dafür, wie Menschen im Europa des 20. Jahrhunderts Opfer zweier totalitärer Diktaturen werden konnten.