Aktualität
Radikal gelebter Glaube: Warum Max Josef Metzger gerade heute noch aktuell ist
Am 17. April 1944 ist der katholische Priester Max Josef Metzger als Opfer des NS-Terrors unter dem Fallbeil gestorben. Obwohl in Freiburg der Seligsprechungsprozess für ihn läuft, ist sein Leben, Wirken und Sterben noch weitgehend unbekannt. Dabei ist dieser prophetische Märtyrer gerade heute Zeit hochaktuell.
Manche seiner zu seinen Lebzeiten als weltfremd eingestuften Visionen sind längst Wirklichkeit geworden. Dies gilt etwa für seine mitten im Krieg absolut unrealistische Idee von einem Vereinten Europa. Auch die Fortschritte in der Ökumene waren zu seiner Zeit nicht vorstellbar – auch wenn die von Metzger erträumte volle kirchliche Einheit noch nicht erreicht wurde (vgl. auch den Link zum Reformationsjubiläum 2016) zu einem Artikel von dr. Christian Heß: „Christus hat nur eine Kirche gegründet“ ).
Manche Thesen Metzgers haben heute eine Brisanz, als ob sie nicht vor 70
Jahren, sondern bezogen auf die heutige Wirtschafts-, Finanz- und Umweltkrise,
auf den Glaubensschwund und sogar im Blick auf die Gefahren der modernen Medien
formuliert worden wären. Bruder Paulus, wie sich Metzger als Verehrer des
Völkerapostels selbst nannte, hat über sich gesagt, es sei immer sein
Verhängnis gewesen, dass er der Zeit etwas voraus war und daher nicht
verstanden werden konnte.
Bereits im Jahr 1939 prangerte Metzger in einem Aufsatz die herrschende „Geldsucht,
Ehr- und Herrschsucht, Genusssucht“ als den „dreifachen Spuk des dämonischen
Zeitgeistes“ an. Geldsucht drücke dem Zeitalter des Kapitalismus den Stempel
auf und sei das „Kainsmal“ nicht nur der Reichen. Weil man sich Ehre und
Herrschaft mit Kapitalbesitz kaufe, „jagen die Ehr- und Herrschsüchtigen nach
dem Geld“, so Metzger wörtlich. Zugleich beklagte er, dass „auch die Kirche,
deren Lehr- und Hirtenamt in Menschenhänden liegt, dieser Versuchung ausgesetzt
ist“ und ihr „da und dort … in ihren Vertretern auch erlegen ist und erliegt“ –
für Metzger „ein ungeheurer Schaden für die Mission der Kirche“, die gerade
auch darin bestehe, den Zeitgeist zu überwinden.
Mit Nachdruck verurteilte Metzger auch die weit verbreitete Genusssucht: Der
Kapitalismus habe erst die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen, „dass
die Menschheit von heute einer raffinierten Genusssucht aller Art verfallen
konnte, einer Sinn- und Triebbefriedigung ohnegleichen, durch die nach
natürlichem Gesetz die Herrschaft des Geistes und zumal des Geistes Christi
unmöglich gemacht wird“.
Alkoholismus, „Nikotinismus“, Zügellosigkeit und sexuelle Ausschweifung
richteten nicht nur „unheimliche Verwüstungen in den Seelen“ an, beklagte
Metzger, und fuhr dann fort: „Dabei denke ich nicht nur an die gröbsten Dinge,
sondern vor allem an die schleichende geistige Entnervung, an die Bedrohung des
Feingefühls und die Vergröberung des ganzen seelischen Empfindens, an die
Minderung der sittlichen Entschlusskraft und des Selbstbehauptungsvermögens
gegenüber der verwirrenden Suggestion der Umwelt …“ Angesichts der Tatsache,
dass auch die gegenwärtige Krise ursächlich mit einer offenkundigen
Selbstbedienungsmentalität vor allem in der Finanzbranche verbunden ist, wirkt
diese Kritik Metzgers zeitlos aktuell.
„Wenn der Glaube verdunstet, ist Frieden nicht möglich“
Den Egoismus machte Metzger schon 1918, noch vor Ende des Ersten Weltkriegs, in
einer Aufsehen erregenden Predigt in Graz für viele negative Entwicklungen
verantwortlich. Vehement beklagte er, dass die sieben Seligpreisungen der
Bergpredigt schon lange nicht mehr gehört würden.
Für ihn war es ein großes Ärgernis, dass auch schon dieser Krieg auf dem Boden
des christlichen Abendlandes ausgetragen wurde, wo doch eigentlich die
Bergpredigt Jesu gelebt werden sollte. Die Abwendung vom Liebesgebot Jesu,
schon lange vor Beginn des Ersten Weltkriegs, habe zwangsläufig zu dieser
Katastrophe geführt. Mit Kriegsbeginn, so Metzger, seien nur gleichsam die
schützenden Kleider gefallen, die die Blöße Europas deckten, formulierte er in
seiner bildhaften Sprache. „Und Europa wurde offenbar in seinem entsetzlichen
Aussatz der allgemeinen Unwahrhaftigkeit und Verlogenheit, der
Grundsatzlosigkeit und Gesinnungslosigkeit, der erbärmlichen Genussgier und
Habgier, der niedrigen Selbstsucht und rohen Ungerechtigkeit. Das Moratorium
(also die Abkehr von) der Bergpredigt galt schon lange als stillschweigendes
Gesetz. An jenem unheilvollen Tag (als der Erste Weltkrieg begann), da wurde
das unchristliche Gesetz öffentlich als Recht erklärt, die Bergpredigt vor
aller Welt außer Kraft gesetzt.“
Für Metzger jedenfalls war klar: Wenn sich der Mensch an die Stelle Gottes
setzt und sich nicht mehr einer höheren Instanz verantwortlich fühlt, wenn der
Glaube verdunstet, dann ist ein dauerhafter Frieden im Zusammenleben der
Menschen und der Völker nicht möglich. Unter Frieden verstand Metzger nicht nur
den Verzicht auf kriegerische Auseinandersetzung, sondern umfassender eine
innere und äußere Harmonie, die es nur geben könne unter der Herrschaft des
„Friedensfürsten“ Jesus Christus, dem „König der Liebe“.
In unzähligen Publikationen, darunter auch Gedichten, und Predigten geht es
Metzger um praktizierten statt theoretischen Glauben, um gelebtes Christentum.
Darunter versteht er tätige Nächstenliebe, Umsetzung der Bergpredigt in den
konkreten Alltag, damit die Kirche wieder neue Strahlkraft erlange, damit die
Christen in der Welt wieder erfahrbar werden als Menschen, die so mit den
Nächsten, mit allen Mitmenschen umgehen, wie sie selbst von den Anderen
behandelt werden möchten. Durchgängig will Metzger in all seinem Tun vor allem
die eine Botschaft verkünden: Gott ist die Liebe, und jeder mit Gott verbundene
Mensch soll und muss diese Liebe ausstrahlen und an alle Mitmenschen und Mitgeschöpfe
weitergeben.
Der diözesane Seligsprechungsprozess für Max Josef Metzger macht indes dem
Vernehmen nach gute Fortschritte. Der delegierte Richter des Prozesses, der
emeritierte Offizial des Erzbistums, Norbert Ruff, ist als „Iudex delegatus“
ebenso wie Professor Hugo Ott als Vorsitzender der Historischen Kommission
neben weiteren Personen mit großem Engagement dabei, noch lebende Zeitzeugen zu
vernehmen und das Leben sowie die bei Weitem noch nicht vollständig erfassten
Schriften Metzgers zu sichten und in einer Computerdatei aufzubereiten.
Dabei wird naturgemäß auch nach allen möglichen Schattenseiten im Leben
Metzgers gesucht. Diese Aufgabe hat der amtierende Offizial Michael Hauser als
„Promotor Iustitiae“ übernommen. Wie ein Staatsanwalt sammelt er alles, was
gegen eine Seligsprechung spricht.
Seltenes Geschick, sich beliebt und unbeliebt zu machen
Vermutlich hat Michael Hauser vor allem die ungewöhnlich dicke Personalakte
Metzgers
im Erzbischöflichen Ordinariat durchforstet. Darin finden sich etliche
Beschwerden über den sehr cholerischen Bruder Paulus. Er hatte ein seltenes
Geschick, sich beliebt, aber auch unbeliebt zu machen. In den Akten befinden
sich etwa Vorwürfe wegen körperlicher Züchtigung im Religionsunterricht
(Prügelstrafe als Mittel der Erziehung war damals noch gang und gäbe), wegen
übertriebenen Anforderungen oder überzogener Kritik an den gesellschaftlichen
Zuständen. Misstraut wurde auch seinen allzu engagierten ökumenischen
Bestrebungen.
Bei genauer Analyse der negativen Aspekte zeigt sich allerdings, dass Max Josef
Metzger als Priester ein untadeliges Leben geführt hat. Womit er aneckte und
bei manchen zum Ärgernis wurde, das war vor allem die Radikalität seines
Christseins. Er war ein Eiferer des Glaubens – und hatte dabei auch immer mit
seinem cholerisch-leidenschaftlichen Temperament zu kämpfen.
Aus einigen Andeutungen von Mitgliedern des diözesanen Gerichtshofs kann
geschlossen werden, dass in diesem Jahr das diözesane Verfahren weitgehend
abgeschlossen werden kann. Allerdings müssen die wichtigsten dabei erfassten
Daten für die zuständige vatikanische Kongregation noch ins Italienische
übersetzt werden.
Ob die in Freiburg erarbeiteten Vorlagen für eine rasche Seligsprechung
ausreichen, ist offen. Zu den vom Vatikan herangezogenen Kriterien für eine
Seligsprechung gehört auch die Verehrung Metzgers als eines vorbildlichen
(Blut-)Zeugen des christlichen Glaubens.
Diese Verehrung ist im Erzbistum Freiburg noch nicht in der Breite des
Kirchenvolks, sondern eher punktuell spürbar – vor allem in kleineren
Gruppierungen. Ihr Einsatz für die Seligsprechung von Max Josef Metzger
entspringt der tiefen Überzeugung, dass er gerade heute als Vorbild für
christliches Handeln in Politik und Gesellschaft stehen kann. Sein in
glaubensloser Umgebung bewährter, unerschütterlicher Glaube, seine Kritik an
einem nicht mehr an Gott, sondern an Gewinnmaximierung orientierten,
menschenfeindlichen wirtschaftlichen Handeln und seine Vorstellung von einer an
der Bergpredigt orientierten Sozialpolitik machen Max Josef Metzger zu einem
ganz aktuellen Glaubenszeugen.