Bühler Kreuz und andere Orte des Friedens
Der 4. Mai 1952 muss den rund 5000 Menschen, die sich an diesem Tag auf einem kleinen Hügel zwischen Bühl und Otterweier versammelt hatten, wie ein Geschenk Gottes vorgekommen sein. Denn eigentlich konnte nach menschlichem Ermessen niemand damit rechnen, dass nach drei Kriegen zwischen den „Erbfeinden" Deutschland und Frankreich – insbesondere nur sieben Jahre nach den im deutschen Namen verübten Greueln des Zweiten Weltkrieges – nun endlich der Weg der Versöhnung zwischen den beiden Völkern frei sein könnte. Doch hier im Badischen, unweit der Grenze zu Frankreich, sollte ein neu errichtete Kreuz ein weit sichtbares Zeichen des beiderseitigen Versöhnungswillens setzen. An diesem Frühlingstag weihte es der damalige Freiburger Erzbischof Wendelin Rauch in Anwesenheit des Straßburger Prälaten Eugène Fischer ein.
Welche Bedeutung der damalige Tag, welche Bedeutung dieses neu errichtete „Bühler Friedenskreuz" für die Menschen der damaligen Zeit hatte, kann nur derjenige verstehen, der die Geschichte kennt, die am Anfang dieses Kreuzes stand. Sie ist eng verbunden mit der Geschichte des Dorfes Oradour-sur-Glane in der Nähe von Limoges in Frankreich, das deutsche Truppen der SS-Panzerdivision „Das Reich" am 10. Juni 1944 besetzten. An diesem Tag trieben die Soldaten die Einwohner des Dorfes zusammen und trennten die Männer von den Frauen. Während sie die Männer in die Scheunen des Dorfes trieben und dort erschossen, sperrten sie die Frauen und Kinder in der Kirche ein, die sie daraufhin in Brand steckten. 642 Einwohner fanden bei diesem Massaker den Tod, nur wenige von ihnen überlebten. All dies geschah zu einem Zeitpunkt, da die alliierten Truppen bereits in der Normandie gelandet waren.
Kurz nach dem Krieg erließ der französische Innenminister Graf
von Menthon die so genannte „Lex Oradour"; ein Kollektivschuld-Gesetz,
nach dem alle Angehörigen der Truppen, die Kriegsverbrechen begangen hatten,
bestraft werden sollten. Dabei spielte es keine Rolle, ob sich eine persönliche
Beteiligung an den Verbrechen nachweisen ließ.
Nachweisen ließ sich freilich, dass der zum Tode verurteilte
Kollektivschuld-Häftling Adam Essinger aus Reichenbach im Odenwald in der Zeit
des Oradour-Verbrechens in Urlaub und somit unschuldig war. Die Nachricht vom
Schicksal Essingers und fünf weiterer unschuldiger Wehrmachtsangehöriger
erreichte den Kapuzinerpater Manfred Hörhammer, den Geistlichen Beirat der im
Jahre 1948 gegründeten deutschen Sektion der internationalen katholischen
Friedensbewegung Pax Christi.
Hörhammer machte den Fall Essinger publik, wo immer er konnte. So auch in einem
Gottesdienst in der Wallfahrtskirche Maria Linden bei Bühl am 30. April 1951,
an dem rund 1000 Pilger teilnahmen. Ein Freund Hörhammers, der Bühler
Caritasrektor Johannes Schmidt, hörte davon und schlug daraufhin ein Gelöbnis
vor: Wenn es gelänge, Adam Essinger frei zu bekommen, dann sollte ein großes
Friedenskreuz errichtet werden.
Und tatsächlich: Die Freilassung gelang. Die „Lex Oradour"
wurde aufgrund der guten Kontakte Manfred Hörhammers nach Frankreich
aufgehoben, Essinger und die fünf anderen Gefangenen konnten nach Hause zurück
kehren. So wurde aus Trümmern des Westwalls und der Maginot-Linie bei Bühl das
14 Meter hohe Friedenskreuz errichtet, das Pater Hörhammer bei der Einweihung
als „rechtsrheinischen Brückenkopf einer Rheinbrücke der
Völkerverständigung" bezeichnete.
So standen bis weit in die Sechzigerjahre hinein die Begegnungen und
Gottesdienste am Bühler Friedenskreuz im Zeichen der Versöhnung und des Dialogs
zwischen den einstigen Feinden. Auch die Friedensarbeit von Pax Christi war in
diesen Jahren in erster Linie von diesem Bemühen geprägt.
Seit Anfang der 70er-Jahre stehen drei Betontafeln auf dem Hügel neben dem
Friedenskreuz. Darauf sind Namen der im Krieg am stärksten zerstörten Städte zu
lesen: Warschau, Dresden, Leningrad. Ebenso die Namen einzelner
Persönlichkeiten, die zu den Opfern der Gewaltherrschaft, zu den großen
Vertretern der Gewaltlosigkeit und des Widerstandes gegen die Diktatur und zu
den Wegbereitern der Ökumene zählen: beispielsweise Papst Johannes XXIII., Max
Josef Metzger, Augustin Bea, Edith Stein, Dietrich Bonhoeffer oder Mahatma
Gandhi.
Im Vergleich zur Nachkriegszeit und den frühen 80erJahren, als Bühl ein
wichtiger Versammlungsort der christlichen Friedensbewegung wurde, ist heute
die Bedeutung des Kreuzes auch innerhalb der Kirche nur noch einer Minderheit
bewusst. Doch die Mitglieder der Freiburger Pax Christi Bewegung halten daran
fest, sich mindestens einmal im Jahr dort zu treffen, und das Kreuz auch heute
noch angesichts der gegenwärtigen Kriege und Konflikte und dem immer neuen
Scheitern von Friedensbemühungen als Hoffnungszeichen zu deuten. Sie vertrauen
darauf, dass es auch für die heute lebenden Menschen ein starkes Zeichen der
Hoffnung sein kann, dass sich das Denken und Handeln vieler Menschen im Zeichen
des Kreuzes wandeln und dass der Frieden als Geschenk Gottes, als unverhofftes
Glück zu allen Zeiten möglich ist.
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